Sprengkraft oder Blindgänger?

Sprengt die neue Frauenquote die gläserne Decke oder ist sie nur ein Blindgänger?

Für mich lenkt die Quotenregelung die Debatte um Frauen in Führung in die falsche Richtung. Frauen werden als Opfer von ignoranten Vorstandseliten dargestellt, denen geholfen werden muss. Also nimmt Vater Staat sich ihrer an, weil die "alten weißen Männer (AWMs)" in den Vorstandsetagen (laut Handelsblatt ist das typische deutsche Vorstandsmitglied männlich, ü50, mindestens 20 Jahre im Betrieb und hat Wirtschaftswissenschaften studiert) ihre freiwillige Selbstverpflichtung zur Einstellung von Frauen in den Wind geschossen haben und weil Frau es allein nicht gewuppt bekommt. Wer nicht hören will muss fühlen, der Bundeszeigefinger wird gegen die Herren erhoben, auf dass sie doch nun bitte die Überzeugung haben, Frauen einstellen zu wollen und dies bitte auch tun. 

Die Quotenregelung als Placebo mit Alibifunktion. 

Mal ehrlich, hat jemals ein Gesetz Menschen dazu motiviert ihre Überzeugungen oder ihr Denken zu ändern? Weshalb halten die Menschen sich an Gesetze? Weil sie den Sanktionen bei Nichteinhaltung entgehen wollen und /oder weil sie so erzogen wurden. Überzeugungen entwickeln sich aus Erfahrungen, Glaubenssätzen und Annahmen, nicht durch Bußgeldandrohungen.

Unsere skandinavischen und französischen Nachbarn zeigen uns, wie Gleichberechtigung in der Gesellschaft gelebt wird. Während hier weitgehend das Frauenbild aus den 50 igern des letzten Jahrhunderts gepflegt wird. "Weshalb schaffst du dir Kinder an, wenn du arbeiten willst und keine Zeit für sie hast?", diesen Spruch hat wahrscheinlich jede berufstätige Frau schon mal aushalten müssen, weil sie ihr Kleinkind einer Tagesmutter oder einer Kita anvertraut hat.

Kann ein Gesetz das gesellschaftliche Denken ändern? Ich sage NEIN!

So wird auch die neue Frauenquote die verkrusteten Frauenbilder nicht sprengen oder zur Änderung eingefahrener Denk -und Verhaltensmuster führen.

Die Veränderung von gesellschaftlichen Mustern ist ein langwieriger Prozess über Generationen. Politische Beschleuniger führen eher zu Irritationen und Überforderung.

 

Die positive Botschaft, der Prozess hat die Generationen YZ längst erreicht. Während die Generationen Boomer und  X, Frauen in Führung noch als Herausforderung betrachten, sind Geschlechterdebatten in den Start UPs kein Thema. Beschwingt durch Silicon Valley bedeuten agiles Führen und flache Hierarchien für die Youngster  keinen Machtverlust sondern Kreativität und Innovation. Politisches Geschick wäre es, diesen Entwicklungsprozess zu fördernd und zu begleiten statt Kompetenzen, Zeit und Steuergelder in betagte Auslaufmodelle zu investieren.

Hallo Politiker, fangt in den Kitas und Schulen an... ich höre schon die Rechtfertigungen: "aber das tun wir doch." Dem kann ich nur entgegnen:"tun allein reicht nicht, man muss es richtig tun".

Wenn Mädchen und Jungen früh die Chance bekommen, ihre eigene Identität und Persönlichkeit zu entwickeln, statt die Glaubenssätze der Vor-Generationen zu leben, fehlen die Konstrukteure der gläsernen Decke und es braucht keine Initiativen mehr um sie zu sprengen.

 

Bis dahin ist jede Frau, die die gläserne Decke durchdringen will, gut beraten, die Sprengladung selbst zünden. 

Wenn Frau das Ziel hat, Vorstandsmitglied eines börsendotierten Unternehmens werden zu wollen, obliegt es ihr allein, mit ihrer Qualifikation und Persönlichkeit die "alten weißen Männer" von ihrer Kompetenz zu überzeugen. Schafft sie es nicht, ist sie nicht die richtige für den Job. Schließlich werden ihre zukünftigen Verhandlungspartner vom gleichen Kaliber wie ihre Vorstandskollegen sein. 

 

 

Silvia Pehling 

Karriere-Coach für Frauen

 

*AWMs sind Stereotypen. Wo Entscheidungen getroffen werden, finden sich wenige Frauen, wenige junge Menschen, selten Menschen nichtweißer Hautfarbe.

 

 

 

 

 

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